Paula ist ca. neun Jahre alt und hatte in ihrem Leben wohl schon einiges einstecken müssen. Hinweise gab es einige: Schorf am Körper, panische Angst vor Fliegenklatschen und vor kleinen Kindern, draußen spazieren gehen schien für den Hund eine völlig neue Erfahrung zu sein. Das kleine Mädchen von nebenan, das sich so gerne mit dem Hund beschäftigen wollte, hatte keine Chance, Paula lief sofort vor ihr weg. Ihre neue Besitzerin sorgte gut für den Hund und machte sich ständig Sorgen, den Hund erneut zu traumatisieren. Das führte dazu, dass sie mit dem Hund nur in fragendem und bittenden Tonfall kommunizierte – Paula, jetzt komm doch mal. Paula, magst du laufen? Paula, bleib doch mal stehen...
Kein Wunder, dass der Hund einfach seiner Wege ging. Auch - an der ausgerollten Flexileine - quer über die Strasse: „Paula, na komm doch, wenn jetzt ein Auto kommt!“. An der Leine ging es hin und her, vor und zurück, wollte sie nicht mehr laufen, blieb Paula eben sitzen. Nach einem Jahr bat mich Ingrid S. um Hilfe. Ihr größtes Problem war ihre Unsicherheit. Ist es denn in Ordnung, wenn ich die Leine kürzer nehme? Was mache ich denn, wenn Paula sitzen bleibt – ich kann sie doch nicht hinterher ziehen? Wie überrede ich sie denn, mit mir nach links zu laufen, wenn Paula nach rechts zieht? Dass sie tatsächlich nichts weiter tun musste, als einfach geradeaus zu laufen, die Leine (die Flexi haben wir gegen eine normale, kurze Hundeleine ausgetauscht) in der Hand, aufgerichtet, die Arme locker und mit dem Blick nach vorne, war eine ziemliche Überraschung. Der Hund wurde genau einmal daran gehindert, die Seite zu wechseln , indem Ingrid S. der Bewegung des Hundes einfach nicht folgte, sondern weiterging – und schon war der Fall erledigt. Von da an lief Paula einfach neben ihr her, als wenn sie nie etwas anderes getan hätte.
Kann das wirklich so einfach sein? Ja, in den meisten Fällen schon. Hunde passen sich sehr schnell an, wenn sie eine klare Linie vorgegeben bekommen. Das größte Problem ist immer die Unsicherheit des Hundeführers. Bei einem „armen, kleinen Hund“ wie Paula ist diese Unsicherheit natürlich besonders groß – vor lauter Angst, zu hart zu sein, tat Ingrid S. einfach gar nichts. Ständig damit beschäftigt, jede Regung ihres Hundes zu beobachten, überließ sie die wichtigste Aufgabe einfach der kleinen Paula. Nämlich die Richtung vorzugeben und sich, aus Sicht des Hundes gesehen, um potenzielle Gefahren zu kümmern. Kein Wunder, dass Paula wie die meisten Hunde diese schwierige Aufgabe bereitwillig abgab. Für jeden Hund – völlig egal ob groß oder klein – ist das Bedürfnis nach Sicherheit das wichtigste!
Noch eine Angst wurde Ingrid S. schnell los. Ihr Hund vertraute ihr nicht weniger, sondern mehr, und die Beziehung zwischen beiden wurde durch ihre neue Entschlossenheit nicht belastet, sondern gestärkt.
Paula lernte schnell, trotz ihres Alters (noch so eine Unsicherheit: Kann ein alter Hund noch dazu lernen? Natürlich kann er). Ihr neues Körbchen nahm sie bereitwillig an und befolgte das Kommando „Geh auf deinen Platz!“ (Warum das so wichtig ist, können Sie hier nachlesen). Schließlich konnten wir sogar ganz behutsam die ersten Erfolge mit dem Nachbarskind erreichen, vor dem Paula solche Angst gehabt hatte. Die neue Sicherheit ihres Frauchens half auch Paula, sich sicher zu fühlen.
Paulas Geschichte gibt es auch als Videoauf der Homepage der Landesschau Rheinland Pfalz.
Und das sagt die Besitzerin...
Lieber Herr Schüler,
anfangs war ich skeptisch, ob ein älterer Hund noch "erzogen" werden kann. Aber ich muss sagen ich war angenehm überrascht. Wir konnten bisher fast alles umsetzen. Der Spaziergang mit Paula ist jetzt entspannt und stressfrei. Es macht richtig Spaß. Auch das mit dem bellen wenn jemand kommt haben wir ganz gut im Griff. Das Fressen wird jetzt immer nach 10 Minuten weggestellt. Es klappt wirklich alles sehr gut.
Mit Johanna konnten wir bisher nicht mehr üben. Sie war mit ihren Eltern in Urlaub. Bin nun mal gespannt, wie Paula bei der ersten Begegnung mit Johanna reagiert. Auf jeden Fall bleiben wir dran und werden weiter üben.
Ich kann jetzt sagen, dass ich froh bin mich bei Ihnen gemeldet zu haben. Es hat Paula und mir sehr viel gebracht und wir leben jetzt entspannter miteinander. Dafür nochmal meinen herzlichsten Dank.
Nachtrag 2010
Nachdem Herr Schüler hier war ging es sehr gut mit Paula. Auch Kindern gegenüber hat sie endlich ihre Ängste abgelegt. Wir hatten sehr viel Freude mit ihr. Leider mussten wir sie am 24.Juli einschläfern lassen. Wir sind unendlich traurig. Sie hatte wenigstens nochmal drei schöne Jahre hier bei uns. Auch Herrn Schüler sind wir sehr dankbar, dass er uns unsere Fehler die wir bei Paula machten gezeigt hat. Wie gesagt, danach ging es sehr gut mit ihr. Liebe Grüße Ingrid S.