Es ist ein zutiefst menschliches Bedürfnis, nach dem „Warum?“ zu fragen. Warum hat mein Hund Angst vor... warum bellt er immer, wenn... warum ist er aggressiv zu... was hat er früher erlebt? Ich möchte heute auch mal fragen: Warum fragen wir eigentlich immer nach dem „Warum?“ Bringt es uns der Lösung eines Problems näher?
Ein Beispiel: Michel, der LKW-hassende Beagle, den Sie hier sehen können. Die Besitzerin hatte eine lange Geschichte zu erzählen, warum Michel drei Jahre lang wie ein Irrer in der Leine hing und sich die Seele aus dem Leib kläffte, sobald ein Lieferwagen, ein LKW oder ein Traktor vorbeifuhren: als Michel noch ein Welpe war, fuhr ein wütender Bauer mit seinem Traktor direkt auf den Hund zu, um ihn aus dem Acker zu vertreiben. Verständlich, dass Michel Traktoren nicht mochte. Nur – dieses Wissen brachte seine Besitzer der Lösung des Problems nicht näher. Man kann die Uhr nicht zurückdrehen und die Ursache der Angst beseitigen. Hätten Sie keine Ahnung gehabt, warum der Hund Traktoren verbellt, wäre die Situation genau dieselbe gewesen. Das Wissen um die Ursachen, oder das ewige Rätselraten darüber, lähmt nur – es kostet Energie, die man besser in die Lösung des Problems stecken sollte.
Die Welt ist voller Dinge, vor denen man Angst haben kann, egal ob Hund oder Mensch – laute Geräusche, bedrohliche Situationen, Unbekanntes gibt es zu Hauf. Angst ist ein gesunder Überlebensinstinkt. Um in der Welt zurecht zu kommen, müssen wir lernen, wann Angst berechtigt ist und wann nicht. Und wir müssen lernen, schlechte Erfahrungen zu verarbeiten und entstandene Ängste zu überwinden. Jeder, der schon einmal seine Angst besiegt hat, weiß, wie gut man sich in diesem Moment fühlt – Hunden geht es nicht anders. Damit sie souverän und selbstsicher durchs Leben gehen können, brauchen sie unsere Unterstützung. Für den Hund ist die Menschenwelt ziemlich unverständlich. Wenn er nicht auf die sichere Führung des Menschen vertrauen kann, muss er nach seinen Instinkten handeln und wird mit Flucht oder mit Angriff reagieren. Die Worte: „Michel, das ist doch nur ein Auto, dir passiert nichts“ versteht der Hund nicht – wohl aber die Hektik, in die der Mensch ausbricht, sobald sich ein LKW nähert...
Wenn wir uns immer nur nach dem „Warum?“ fragen, machen wir das Problem nur größer – unbewusst bestätigen wir dem Hund damit, dass seine Angst berechtigt ist. Ich schlage vor, statt „Warum?“ lieber die folgenden Fragen zu stellen:
Kann ich in dieser Situation für die Sicherheit meines Hundes garantieren?
Fühle ich mich selbstsicher und gehe souverän mit der Situation um?
Findet mein Hund Schutz bei mir, zeige ich ihm klar genug, dass ich ihn vor Gefahren abschirme?
Vertraut mir mein Hund, haben wir eine stabile Bindung?
Achtet der Hund auf mich, schaut er zu mir nach Anweisungen, was zu tun ist?
Habe ich meinem Hund klar, aber ohne Aufregung gezeigt, dass ich nicht möchte, dass er bellt oder zerrt?
Zeige ich ihm deutlich, was ich von ihm erwarte, und lobe auch im richtigen Moment?
Führe ich meinen Hund bestimmt, aber behutsam und in ausreichend kleinen Schritten an den Angstauslöser heran?
Je öfter Sie „Ja!“ sagen können, umso unwichtiger wird die Frage nach dem „Warum?“ Wenn Sie ein Anführer geworden sind, der das Vertrauen des Hundes wirklich verdient, dann werden Sie gemeinsam Probleme lösen können – ganz egal, warum sie vorher entstanden sind.